Fahrzeit: 7:20 Stunden
Zurückgelegte Strecke: 66 Kilometer
Zurückgelegte Höhenmeter: 1890 Meter
Alleine der Anblick der Hohen Tauern ließ mich schon fast vor Ehrfurcht erstarren. Nicht die Höhenmeter die vor uns lagen waren für mich besorgniserregend. Vielmehr war es jenes ungute Gefühl der Hilflosigkeit. Schlagartig wurde ich mir wieder meiner nicht vorhandenen Schwindelfreiheit bewusst. Auch wenn wir nicht wussten was uns genau erwarten würde, dieses ungute Gefühl war dennoch bereits vorhanden. Doch es nutzte alles nichts, wir mussten rüber!
Der Hauptkamm der Hohen Tauern ist etwa 120 Kilometer lang. Die höchste Stelle liegt mit dem Großglockner bei 3798 Metern. Hier befinden sich die höchsten Berge Österreichs – zusammen mit den Ötztaler Alpen (Wildspitze 3768 Meter). Kein Pass wurde in der Römerzeit in den Hohen Tauern mehr genutzt als der Felber Tauern. Der Gebirgspass liegt bei 2481 Meter. Niemals sollte man in diesen Höhen das Wetter unterschätzen! Weniger spektakulär ist die Fahrt mit dem Auto. Seit Mitte der sechziger Jahre sorgt der etwas über fünf Kilometer lange Felbertauerntunnel für die Verbindung zwischen Salzburg und Osttirol. Für uns als Mountainbiker im Rahmen des Alpencrosses natürlich keine Option!
Der Start von dem „Tauernhaus Spital“ auf dem asphaltierten Weg am Hintersee vorbei verlief genial. Uns begleitete bestes Wetter, die Sonne lachte und so gestaltete sich der knapp 1100 Höhenmeter umfassende Uphill zum Breitling als wahres Vergnügen.
Kurz bevor es richtig ungemütlich werden sollte
Obwohl es von den Temperaturen nicht besonders heiß war und von uns eher als angenehm empfunden wurde, strotzte die Sonne vor unglaublicher Kraft. Trotz Sonnenmilch verbrannte ich mir die Oberschenkel. Ein dickeres Auftragen der Sonnenmilch wäre sicherlich sinnvoll gewesen oder man hätte zumindest den Lichtschutzfaktor höher ansetzen müssen. Unglaublich, und das mir als Sonnenanbeter! Der asphaltierte Untergrund ging im späteren Verlauf in einen steinigen Forstweg über, um dann letztendlich zu einem Wiesenweg zu werden. Die Strapazen wurden mit einem phantastischen Blick auf den unten liegenden Hintersee und die gegenüberliegenden, mit Schneefetzen bedeckten Felsmassive belohnt. Unablässig schossen die Wassermassen mit einem unglaublichen Getöse ins Tal. Die Berge leben ihr eigenes imposantes Leben! Als der Höhenmesser 1800 Meter ü NN. anzeigte, musste die Windjacke übergestreift werden. Nicht das letzte Kleidungsstück an diesem Tage. Es wurde zusehends frischer. Wir erreichten die vom Gastwirt beschriebene Mauer und folgten aufgrund des heftigen Windes dessen Rat, etwa 50 Meter höher den Übergang zum Wanderweg zu finden. Ab jetzt folgte das, was ich immer zu vermeiden versuchte. Schieben, schieben und nichts als schieben. Zur Abwechslung durfte das Bike aber auch mal getragen werden. Die Tour wurde langsam zur Tortur. Immer mehr Schneefelder taten sich auf und das Wetter wurde immer bedrohlicher.
Eine dunkle Wolkenfront stand direkt vor uns. „Auch das noch! Bloß jetzt nicht in ein Unwetter geraten“ schoss es mir durch den Kopf. Nervosität tat sich auf. Es folgten vermehrt Schiebepassagen durch Schneefelder, an Hängen, deren Ende man nicht abschätzen konnte. Vielleicht sogar zu meinem Glück. Wer weiß, ob nicht der Blick in einen Abgrund zur Umkehr gezwungen hätte. Es wurde bitterkalt. Die Temperatur schien ins Bodenlose zu fallen. Als dann auch noch Schneesturm aufkam, musste mal wieder die Regenkombi herhalten. Zeit und Lust für Fotos blieb nicht mehr. Wir mussten weiter!
Nicht auszudenken hier mit falscher Bekleidung unterwegs zu sein. Der Weg zur St. Pöltner Hütte wurde für mich zum persönlichen Alptraum. Menschen mit Höhenangst stoßen hier definitiv an ihre Grenzen. Dazu wurde die Sicht immer schlechter und die Eiskörner des Schneeregens pickten ins Gesicht. Spätestens jetzt stellte sich mir die Frage, was das noch mit Mountainbiken zu tun hat! Endlos erscheinende Stunden des Schiebens und Tragens der Bikes durch den Schnee vergingen. Irgendwann erreichten wir die St. Pöltner Hütte, die aufgrund des Schneesturms kaum noch zu erkennen war. Jetzt konnte ich nachempfinden, weshalb Menschen, die in die Alpen stiegen, nicht mehr zurückgekehrt sind. Wie unwirtlich und unmenschlich die Berge sein können! Ich hätte nie daran geglaubt, dass ich so brutal an meine eigenen Grenzen stoßen werde – so etwas kannte ich bis dahin nicht: Momente, in denen ich dachte, ich würde das nicht überstehen.
Die vor uns liegende Abfahrt sollte sich anfänglich auch als nicht besonders angenehm herausstellen. Durch die widrigen Umstände war ein Fahren nur teilweise möglich, meist wurde geschoben, getragen oder gerollt. Zeitweise verloren wir die Orientierung, durchquerten zu Fuß mit dem geschulterten Bike einen eiskalten Bach um wenige hundert Meter später festzustellen, dass man sich genau diese Aktion dank einer Brücke hätte ersparen können. Wir waren wieder auf dem richtigen Weg. Mit fallenden Höhenmetern ließ der Sturm immer mehr nach und die Temperatur kletterte wieder in angenehmere Bereiche. Der Tauernbach blieb vorerst unser Begleiter. Irgendwann erreichten wir endlich den Tauerntalweg, einen breiten Forstweg. Am Tauernbach entlang ging es im Regen nach Matrei. Der weitere Verlauf erfolgte ohne nennenswerte Höhepunkte bei anhaltendem Regen an der Isel entlang bis nach Lienz. Die Anspannung und die Strapazen der Überquerung des Felber Tauern stand uns am Abend im Gesicht geschrieben. Genug Höhepunkte für einen Tag! Wir waren einfach nur froh diesen Tag überstanden zu haben!
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