Fahrzeit: 7:33 Stunden
Zurückgelegte Strecke: 98 Kilometer
Zurückgelegte Höhenmeter: 2525 Meter
Zugegeben, es ist schon ein arg mulmiges Gefühl, wenn man fernab der Zivilisation auf einem Berg munter in den Abend radelt, nebenbei beim Passieren eines Soldatenfriedhofs noch Nebel aufzieht und das ersehnte Nachtlager und Essen in immer weitere Ferne rückt. Geradezu umarmen kann man dann den Gastwirt des Gasthauses, der dann fast selbstverständlich sagt: „Si, kein Problem“. Wir haben an diesem Tag gelernt, dass viele Rifugien entweder ausgebucht, geschlossen oder reine Wochenendbetriebe sind.
Um diese kleine Unannehmlichkeit zu vermeiden, sollte unbedingt vorab abgeklärt werden, wo man einkehren will. Ohne Karte natürlich ein schwieriges Unterfangen. Auch wenn wir bis zu diesem Tag das Fehlen von diversen Karten recht gut kompensieren konnten, sollte der achte Tag zu einem Desaster werden. Doch wie kam es zu diesem chaotischen Verlauf?
Eigentlich fing alles perfekt an. Das Wetter war himmlisch, das Frühstück fast noch besser. Doch bereits die Ausfahrt aus Castello Tesino gestaltete sich schwieriger als angenommen. Durch ein Rennradrennen wurden sämtliche Zufahrtsstraßen gesperrt. Unser Vorhaben, sehr früh aufzubrechen, wurde somit vereitelt. Um dann vielleicht doch noch vorzeitig einen Ausweg aus Castello Tesino zu finden, fuhren wir in diesem Städtchen hin und her. Am Ende summierte sich diese Suche auf 150 Höhenmeter. 150 Höhenmeter für nichts. Dafür haben wir jetzt alle Ecken diesen kleinen und wunderschönen Örtchens gesehen. Gegen Mittag wurden die Straßensperren endlich aufgehoben und es konnte los gehen.
Natürlich ohne Karte! Bis dahin wussten wir noch nicht, dass dieser Tag zu einem negativen Paradebeispiel für eine Fahrt ohne Karte werden sollte. Über eine asphaltierte Serpentinenstraße fegten wir runter nach Grigno. Der Blick bei der Abfahrt ins Tal ist beeindruckend. Wir überquerten den Fluss Brenta und fuhren weiter in Richtung Selva. Eine brütende Hitze erwartete uns in diesem Tal, das unter diesen Umständen einem Hexenkessel glich.
Der folgende Uphill kostete bei Temperaturen um die 36 Grad ziemlich viel Körner. Und Wasser. Leider kamen wir mit dem Nachfüllen der verlorenen Flüssigkeit nicht mehr nach. Seit diesem Tag wissen wir, dass eine Flasche Wasser mitzuführen nicht ausreicht, auch wenn dieses oft behauptet wird. Völlig dehydriert kämpften wir uns den Weg zum Rifugio alla Barricata hoch. Abgesehen von den lästigen italienischen Fliegenschwärmen, die uns begleiteten, verlief die Auffahrt über den Forstweg 213 ohne Komplikationen. Am Rifugio ergab sich endlich die Möglichkeit wieder wertvolles Nass nachzutanken. So langsam ließen auch diese unglaublich hartnäckigen Fliegen von uns ab. Stanken wir mittlerweile wirklich schon so sehr?
Kurz nach dem Rifugio sollte sich Markus und mein Weg trennen. Der Schieberei der letzten Tage wollte ich entgehen und beschloss die Route auf fahrbaren Wanderwegen fortzusetzen. Markus wollte unbedingt nach Tourenvorlage am Monte Ortigara entlang. Ein Wanderer, den wir unterwegs trafen, meinte dieser Weg wäre nicht fahrbar. Ein kurzer Blick in seine Karte und für uns war der weitere Verlauf sonnenklar. Nach den Strapazen der letzten Tage war die Stimmung mittlerweile leicht gereizt. Irgendwie war jeder froh, endlich mal für sich seinen Weg ohne den anderen fahren zu können. Die Kommunikation zwischen Markus und mir hatte in den letzten zwei Tagen sowieso den Tiefstpunkt erreicht. So trennten wir uns und jeder fuhr seinen Weg – beide ohne Karte. Was danach begann war Chaos pur – für uns beide!
Endlich alleine unterwegs. Frohen Mutes kurbelte ich über den vermeintlichen Weg. Nach einer Stunde gelangte ich allerdings wieder an den letzten Zwischenstopp. Vielleicht vertan? Also fuhr ich nochmal in die Berge rein. Nach einer weiteren Stunde war ich wieder am besagten Zwischenstopp. Guter Rat war teuer, keine Karte griffbereit und keine Menschenseele weit und breit zu sehen. Als es Anfing zu dämmern und Nebel aufzog, von Markus per Handy keinerlei Reaktionen erfolgten, gab es nur noch eine Möglichkeit: Runter, nichts als runter, wohin es letztendlich auch immer gehen würde. Drei Rifugien passierte ich, die entweder geschlossen hatten oder überfüllt waren. Die Frage nach einem Nachtlager wurde meist belächelt und lapidar mit einem „immer dem Weg nach“ beantwortet. Somit landete ich irgendwie in Stoner bei Enego. Rechtzeitig bevor die Dunkelheit herein brach.
Und Markus? Er fuhr bis weit in die Dämmerung hinein, war dafür aber noch auf dem richtigen Weg. In letzter Minute kam er in einer Käserei unter. Keine Dusche, kein Essen. Es war kein Gastbetrieb, weshalb die Unterkunft nur eine Notunterkunft war. Dennoch war Markus für diese Bleibe dankbar, er hätte sonst mit seinem Schlafsack in der freien Natur übernachten müssen. Vielleicht hat es mich dann doch besser getroffen, auch wenn ich ziemlich weit weg von der Route war. Unser kurzes und sehr knappes Telefonat ergab das nächste Tagesziel, wo wir uns dann treffen sollten: Posina.
Viele der Wege, auf denen wir uns beim Alpencross bewegen, spielten im ersten Weltkrieg eine bedeutende Rolle – leider auch eine blutige! Die für uns jetzt zum Teil wunderbaren Wege waren im ersten Weltkrieg blutgetränkt. Auch der Monte Ortigara weist eine blutige Vergangenheit auf. Bei den Kämpfen um den Ortigara starben im ersten Weltkrieg etwa 55.000 Menschen. Trotz der Schönheit der Berge sollte dies nie vergessen werden!
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