Poison Zyankali Light – Arsen und Spitzenhäubchen

Oh Mortimer! Auf den ersten Blick sehen seine unauffälligen und liebenswerten Tantchen geradezu harmlos aus. Der Blick hinter die Kulissen offenbart aber zwei Damen, die es faustdick hinter den Ohren haben. So harmlos wie die zwei Tantchen, scheint auch der von ihnen an Gäste ausgeschenkte Cocktail zu sein. In dem Filmklassiker „Arsen und Spitzenhäubchen“ wird Cary Grant Zeuge dessen, welch „umwerfende“ Wirkung die richtige Mischung erzielen kann. Die zwei älteren Damen in dieser erstklassigen Komödie waren sich der Wirkung ihres Cocktails bewußt. Die Firma Poison setzt ebenfalls bewußt auf den Einsatz von Arsen und Zyankali, allerdings bezieht sich das mehr auf die gleichnamigen Bikes.

Es gibt sicherlich viele Möglichkeiten, die Funktionalität und Zuverlässigkeit eines Bikes zu testen. Aussagekräftig sind sehr viele Tests, unumstritten sicherlich der Test bei einem Alpencross. Knackige Downhills und kernige Uphills bei allen erdenklichen Wetterlagen und Bodenbeschaffenheiten sollten die Qualitäten des Poison Zyankali auf die Probe stellen. Dabei mußte das Poison alleine beim Alpencross über 19000 Höhenmeter zurücklegen, von den Strapazen auf heimischen Trails ganz abgesehen. Von Poison angepriesen als ein „Muß“ für Crosscountryfahrer, wurde das Zyankali im Test dementsprechend hart rangenommen.

Das gewisse Etwas des Zyankali läßt sich bereits an der Form des Ober- und Unterrohrs erkennen. Nicht schnöde Rundrohre werden verwendet, sondern zum Steuerrohr dreieck und zum Sattelrohr flach zulaufende Rohre aus 7005er Alu finden am Zyankali Verwendung. Dies bewirkt neben Stabilität vor allem eines: Steifheit. Ein weiteres kleines, aber bedeutendes Schmankerl, ist das Gusset am Steuerrohr. Die Verarbeitung des Gusset am Steuerrohr ist ein anerkennendes Nicken wert. Überhaupt macht die Verarbeitung des Zyankali einen sehr guten Eindruck. Dies spiegelt sich nicht nur bei den Schweißnähten wieder, sondern auch bei der Qualität des Lackes.

Der erste Fahreindruck bestätigt die Steifheit des Rahmens. Ein Sänfte ist das Zyankali nicht und macht somit dem Begriff „harter Bock“ alle Ehre. Dabei ist diese Begriffsbezeichnung keinesfalls negativ zu deuten, sondern es bezeugt den supersteifen Rahmen dieses Hardtails. Eine Eigenschaft, die sich beim Antritt und im Wiegetritt sofort bemerkbar macht. Das Lossprinten mit dem Zyankali gleicht der Betätigung einer Turbo-Taste. Vehemment schießt das Poison nach vorne und verärgert auf der Straße so manchen Rennradfahrer. Die sportlich angenehme Sitzposition ermöglicht zudem lange Touren.

Auf Singletrails weiß das gute Handling des Poison zu begeistern. Negativ fällt jedoch auf ruppigen Abfahrten das leicht nervöse Fahrverhalten des Zyankali auf. Leichte Fahrwerksschwächen schleichen sich auch bei steileren Uphills ein. Hier neigt die Front etwas zu schnell zum Steigen. Enge Kurven bei steilen Auffahrten werden somit zum Geduldsspiel. Im Grenzbereich der Traktion reagiert das Zyankali mit leichtem, aber gut beherrschbarem Untersteuern. Aufgrund der vielen ruppigen und harten Abfahrten während des Testes, kann man dem Poison eine herausragende Eigenschaft besonders bestätigen: Zuverlässigkeit. Ohne Zwischenfälle verrichtet das Poison, zur Freude des Besitzers, seinen Dienst.

Die Mavic XM 117 Disc Felgen können dem Rahmen in Punkto Stabilität nicht ganz Paroli bieten. Der Griff zum Speichenschlüssel behebte aber diese kleine Unstimmigkeit der Mavic Felgen während des Testes. Angesichts der ruppigen Abfahrten dennoch erstaunlich, wieviel die dünnen Mavic Felgen einstecken können. Die an unserem Bike verbauten Magura HS 33 Bremsen sind für uns, in der Sparte der Felgenbremsen, weiterhin die Referenz. Der Klassiker bietet perfekte Bremsleistung bei Trockenheit, mit leichten Schwächen bei Nässe. Für 999,00 Euro wird das Poison Zyankali allerdings mit der Scheibenbremse Magura Julie ausgeliefert. Damit steht dem Biker eine gleichbleibende und gut dosierbare Bremsleistung, bei jedem Wetter, zur Verfügung.

Die Marzocchi MX Comp ETA verrichtet unauffällig, aber gut ihren Dienst. Die Aktivierung des ETA System läßt den verfügbaren Federweg von 105 mm um etwa 40 mm schrumpfen und wird dabei vom Ansprechverhalten deutlich straffer. Die Einstellung der Zugstufe bedarf leider eines internen Eingriffs. Die Gabel spricht hervorragend an und leistet sich keine Schwächen. Schwächen leisten sich dagegen die Reifen. Die Continental Explorer in der Breite 2.1 rollen zwar sehr gut, vermitteln auf nassem Untergrund, vor allem auf nassen Wurzeln und Steinen, alles andere als ein sicheres Fahrgefühl. Bei Schaltung und Tretlager wurde die solide Shimano LX-Gruppe verbaut, unterstützt durch ein Shimano XT-Schaltwerk. Selbst nach dem harten Einsatz beim Alpencross funktionierte dieser Shimano-Mix perfekt und ohne Makel.

Ärgerlich sind indes die verbauten Lenkergriffe. Mal wieder möchte man sagen. Das Eigenleben dieser Griffe haben wir in vorangegangenen Tests wiederholt kritisiert. Besserung dagegen beim Vorbau. Die bei einem Bike in einem früheren Test beanstandete Vorbauklemmung wurde gegen eine durchgehende Vorbauklemmung ausgetauscht. Wichtig ist bei einem Kauf der Gedanke an Pedalen. Poison liefert die Komplettbikes ohne Pedalen aus. Somit kann der Biker diese Komponente direkt an seine Bedürfnisse anpassen.

Es gibt sie doch, die Parellelen. Scheinbar unauffällig, weiß das Poison Zyankali durch Leistung und Zuverlässigkeit zu überzeugen. Der phantastische Vortrieb und die Steifheit des Rahmens lassen das Poison XC-Race-Ambitionen entwickeln. Aber auch auf Touren und beim Marathon fühlt sich das Poison mitsamt Biker wohl. Der Alpencross bewies es. Den harten Test in den Alpen absolvierte das Poison mit Bravour. Bei der Wahl der verbauten Komponenten bewies Poison ein gutes Händchen. Kleine Abstriche muß man in Bezug auf das leicht nervöse Fahrverhalten machen. Das Poison hat es auf jeden Fall faustdick hinter den Ohren! Gift ist das Poison Zyankali nur für die Gegner 🙂

Fazit:

Poison beweist es mal wieder: Gutes muß nicht teuer sein. Das Zyankali besticht neben einem guten Preis-/Leistungsverhältnis durch Zuverlässigkeit und Funktionalität. Nur das leicht nervöse Fahrverhalten kostet Minuspunkte.

Gewicht: etwa 11,7 Kilogramm (ohne Pedalen)
Preis: 999,00 Euro (mit Magura Julie Scheibenbremse)
Erhältliche Größen: 33 – 58
Farben: Rot, Schwarz, Blau Metallic, Silber Metallic

Mehr Infos unter: www.poison-bikes.de