Unser letztes Zusammentreffen mit einem Stevens Bike liegt schon viele Jahre zurück. Vor über sechs Jahren testeten wir das Stevens S-7 Pro – ein Allrounder, den wir abseits des eigentlich gedachten Einsatzgebietes ein wenig „missbraucht haben“ bzw. „missbrauchen mussten“. Mit dem Stevens Ridge haben wir erstmals ein Enduro der Hamburger Fahrradschmiede bei uns im Test. Ein „Missbrauch“ steht bei diesem Test somit nicht auf dem Programm, spiegelt ein Enduro ja unser Lieblingsbetätigungsfeld wider.
Sehr feine Optik! Der erste Gedanke, der einem durch den Kopf geht. Optisch passt an dem Stevens Ridge eigentlich alles. Die farbliche Absetzung der einteiligen Wippe ist genauso gelungen wie die Auswahl der übrigen Komponenten. So fügt sich die Sattelstütze ebenso in das schöne Gesamtbild ein wie der Vorbau, der Lenker oder die Laufräder – um nur einige Komponenten zu nennen. Dem schönen Bike gebührend ziert die Formula The One Bremse das Bike – wobei „zieren“ sicherlich nur eine Stärke der Bremse ist.
Noch bevor wir richtig loslegen konnten, machte sich ein kleiner „Schönheitsfehler“ bei der Sattelstützenklemme/Wippe bemerkbar. Die Sattelstützenklemme eckte beim Einfedern an der Wippe an. Ein Manko, von dem die Rahmengröße S betroffen war – so auch unser Bike. Die Hamburger haben aber schon längst reagiert und liefern die Bikes mit einer anderen Sattelstützenklemme aus. Das Problem sollte also nicht mehr auftreten. Wir haben für unseren Test die Klemme leicht verdreht. Nicht schön, aber funzt!
Das Bike vermittelt einen recht „großen“ Eindruck. Selbst bei einer Körpergröße von 175 cm erscheint das Bike in der Größe S nicht zu klein – wobei es dann natürlich etwas kompakter wirkt. Man lenkt weder mit den Knie noch kommen die Füße ans Vorderrad. Man sollte also vor dem Kauf beim Fachhändler seines Vertrauens Probesitzen. Es sitzt sich auf dem Ridge wie auf einem All Mountain Bike. Die Sitzposition auf dem Stevens ist sehr zentral und nicht – wie bei manchen anderen Enduros – weit nach hinten ausgelegt. Das macht sich beim Touren und beim Uphill positiv bemerkbar. Das Fahrwerk ist straff und definiert, spricht aber dennoch gut an.
Beim Uphill agiert das Stevens wie ein Hardtail, ein Energieverlust ist nahezu nicht auszumachen. Nur ein minimales Wippen macht sich bemerkbar, ein Griff zum Dämpfer eliminiert aber auch dieses. Ungeachtet dessen arbeitet das Fahrwerk bei Unebenheiten und sorgt somit auch bei technischen wurzeligen Uphills für guten Vortrieb. Im Wiegetritt wippt der Hinterbau schwach. Alles in allem zeigt sich, dass Stevens viel Wert auf einen effizienten Vortrieb legt.
Der Viergelenker wird von einem Fox Float RP 23 Boostvalve Dämpfer unterstützt. Das Sattelrohr ist gerade, womit ein bequemes Absenken des Sattels möglich ist. Ein gute Voraussetzung für gutes Touren, aber auch für schnelle Abfahrtspassagen. Mit der Rock Shox Lyrik 2 Step RC CP hat Stevens dem Ridge eine angemessene Gabel spendiert, was man auch zu den restlichen verbauten Komponenten sagen kann. Das Ridge agiert wie ein harmonisches Orchester – ausschweifende Einzelsolisten sind auf Seiten des Fahrwerks nicht auszumachen.
Die Formula The One sorgt für eine hervorragende und gut dosierbare, je nach Wetterlage allerdings manchmal auch lautstarke Verzögerung. Ein Shimano XT/SLX-Mix ist für den Gangwechsel verantwortlich und dieser gestaltet sich derart präzise, dass Schweizer Uhren dagegen wie mahlende Getriebe wirken. Weshalb Stevens dem Ridge keine Vario-Sattelstütze verpasst hat, können wir allerdings nicht ganz nachvollziehen.
Der Charakter des Stevens lässt sich in folgende Eckdaten pressen: Bergauf – egal ob auf glattem Asphalt oder wurzeligem Untergrund – bietet das Ridge eine sehr gute Performance, auf der Hatz über Trails lässt sich das Bike gut beschleunigen und in die Kurven drücken, beim Jumpen sackt die Nase schneller ab als bei anderen Bikes, was ein wenig Eingewöhnung braucht. Auf der Abfahrt begeistert das gute Handling – das Ridge lässt sich schnell und direkt um enge Kehren drücken. Das Fahrwerk zeigt sich sehr definiert, aber nicht ganz so sensibel wie andere Vertreter in der Enduro-Klasse.
Der Hinterbau ist großzügig dimensioniert. Wir haben für unseren Test auf der Abfahrt bei widrigen Bedingungen den Schwalbe Muddy Mary in der Dimension 2.5 vorne als auch hinten aufgezogen. Das ausgewogene Driftverhalten, das Bike neigt weder zum Über- noch zum Untersteuern, veranlasste uns, vorne als auch hinten den Reifen in der gleichen Breite aufzuziehen. Angegeben ist das Stevens mit 13,9 Kilogramm ohne Pedale, was wir bestätigen können. Die Verarbeitung und der Lack geben uns keinen Grund zur Kritik.
Für den tourenorientierten Endurobiker, dessen Spielwiese neben langen ausgedehnten Touren über Stock und Stein auch schöne Singletrails darstellen, ist das Stevens Ridge eine sehr gute Wahl. Technische Abfahrten mit engen Kehren sind ebenfalls eine Stärke des Bikes. Für uns präsentiert sich das Stevens Ridge mit dem Fahrfeeling eines All Mountain Bikes mit all seinen Vorzügen, bietet aber gleichzeitig die Reserven eines Enduros. Nervig ist nur, dass man für die hintere Steckachse – so lobenswert eine Steckachse ist – Werkzeug benötigt.
Preis: 2799 Euro