Focus Project 2.0 – Mit dem Herz eines Kämpfers – Test

Mit dem Project hat Focus ein Bike auf den Markt geworfen, welches das Kämpferherz eines Enduros mit der Ausdauer eines Allmountain Bikes haben soll. Ein Longtravel Bike von Focus, das ist für uns eine komplett neue Erfahrung. Bisher kannten wir Focus Bikes mehr aus dem XC Bereich, so wie beispielsweise das Black Forest, welches wir für die mtb-extreme.com getestet haben. Dort konnte die XC-Feile überzeugen, wie verhält es sich allerdings mit einem AM bzw. Enduro des Unternehmens, welches lobenswerterweise für „Made in Germany“ steht?

Die Eckdaten des Focus Project 2.0 hören sich gut an: 16 cm Federweg an der Front und 15 cm Federweg am Heck, dazu gesellen sich einige Parts, die für sich alleine schon das Bike in die Enduro-Ecke manövrieren. Der aufmerksame Leser wird jetzt allerdings den Finger heben, denn eigentlich bietet das Project 2.0 vorne „nur“ 15 cm Federweg! Im Gegensatz zum Serienmodell mit der Fox Talas Fit RL war bei uns die Fox Talas RC2 verbaut. Ebenfalls anders als in der Serie war bei uns die Avid Code Bremse montiert, am Serienmodell sorgt die Avid Elixir R für die Verzögerungsarbeit. Auf die Waage bringt das Focus in dieser Ausführung einschließlich Plattformpedalen etwa 14,7 Kilogramm.

Focus hat sich aber nicht nur bei der Wahl der Komponenten große Mühe gegeben, sondern auch dem Herzstück des Bikes, dem Rahmen, ordentlich Dampf unter die Haube gehaucht. Die Rahmenform wirkt auf den ersten Blick zwar nicht sonderlich spektakulär, dennoch wurde hier ordentliche Entwicklungsarbeit geleistet. Der Rahmen ist sehr seitensteif, welches durch die Knuckle Box Technologie erreicht wurde. Die Anlenkung des Eingelenkers ist recht aufwendig und durch das konische Steuerrohr konnten das Oberrohr und das Unterrohr, den Belastungen entsprechend, voluminös dimensioniert werden, was zusätzliche Lenksteifheit bringt.

Der Rahmen und die Schwinge wirken robust, so wie es sich für ein Enduro gehört. Komponenten wie die Fox Talas und die SRAM X.0 Schaltung mit den SRAM X.9 Triggern zeigen die preisliche Richtung, denn mit 3299 Euro ist das Project 2.0 nicht gerade kompatibel mit schmalen Geldbeuteln. Fairerweise müssen wir hier noch anmerken, dass es für 2399 Euro das Project 3.0 gibt, welches natürlich andere Parts verbaut hat. Wer eine Hammerschmidt und die Fox Talas Fit RC2 sein Eigen nennen möchte, kann beim Project 1.0 zuschlagen – Kostenpunkt: 5999 Euro. Natürlich lassen sich auch die beiden anderen Project mit der Hammerschmidt nachrüsten.

Jetzt schieben wir allerdings die Finanzen und technischen Eckdaten zur Seite und widmen uns dem eigentlichen Zweck dieser Zeilen, dem Test in der Praxis. Uns stand das Bike mit einem 43 cm Sitzrohr zur Verfügung, welches der Größe M entspricht. Und hier gibt es einige Überraschungen. Zielgruppe Enduro – Das erste Aufsitzen auf dem Bike vermittelt ein anderes Gefühl, es fühlt sich eher an wie ein Allmountaintourer. Die Sitzhaltung ist leicht gestreckt, der Lenker wirkt trotz der normal hochbauenden Front zu tief. Die geringe Steigung des Lenkers unterstützt diesen Eindruck. Die Wahl des Lenkers finden wir weniger prickelnd, der kurze Vorbau gefällt uns allerdings sehr gut.

Auf dem Trail begeistert das Project durch sehr guten Vortrieb. Der gut arbeitende Hinterbau sorgt dafür, dass auch bei technisch schweren Uphills die Energie ohne lästiges Wippen in Vorwärtsdrang umgesetzt wird. Das Focus lässt sich sehr gut beschleunigen, Sprints gehen richtig gut. Der Hinterbau ist zwar sportlich straff, arbeitet aber effektiv. Hier können wir ein großes Lob verteilen. Allerdings will durch die Haltung auf dem Bike keine Spielfreude aufkommen. Auf der Abfahrt wirkte das Focus auf uns nervös und frontlastig. Trotz des wirklich gut arbeitenden Fahrwerks zeigte das Project hier Schwächen und trübte unseren Fahrspaß.

Das Sattelrohr ist im unteren Bereich leicht gebogen, dadurch hat man leider nicht die komplette Sattelrohrlänge für die Sattelstütze zur Verfügung. Das Bike ist hochwertig aufgebaut, seien es die Mavic Crossmax ST Laufräder oder die Truvativ Komponenten. Zwei Kettenblätter mit Rockring – auch das gefällt uns natürlich außerordentlich gut. Bei unserem Test waren wir unter anderem in Südfrankreich unterwegs, doch auch dort konnten die ruppigen Pisten das Focus nicht zu Ausfallzeiten zwingen und unterstrichen die Robustheit des Project.

Wir wollen an dieser Stelle das Focus nicht kritisieren, sondern für uns zeigen sich die Stärken des Project bei Allmountaintouren, bei denen es auch mal richtig kernig bergauf gehen kann oder sogar soll, aber weniger als Bike für den Bikeparkbesuch. Das Fahrwerk ist durchdacht und bietet genug Reserven, das zeigt sich auch bei Kanten, die sich in den Weg stellen. Bei Jumps verhält sich das Bike etwas unhandlich, auch das würden wir uns von einem Enduro anders wünschen. Wir denken, dass ein kürzeres Oberrohr beim Project Wunder wirken würde und unserem Fahrverhalten mehr Rechnung tragen würde.

Fazit:

Das Focus Project 2.0 stellt sich für uns als ein zuverlässiges und robustes Allmountain dar, welches besonders den anspruchsvollen Tourer ansprechen dürfte. Der Hinterbau arbeitet ausgezeichnet und der Rahmen begeistert durch seine Steifheit und dem sehr guten Vortrieb. Über die Wahl der Komponenten kann man auch nicht meckern – mal abgesehen vom zu flachen Lenker. Ein Kämpferherz hat das Project allemal, für uns allerdings nicht in Form eines Enduros.

Preis: 3299 Euro

Mehr Infos unter www.focus-bikes.de