Rose Red Bull Stiffee FR-400 im Test – MTBsche Formeln: XC + DH = FR?

In den frühen neunziger Jahren erfreute sich eine Fernsehsendung mit dem Titel „Zwei Stühle, zwei Meinungen“ größter Beliebtheit. Hier fetzten sich vor Millionen von Fernsehzuschauern zwei Parteien um mehr oder weniger brisante Themen. Das Lager war gespalten, die Fronten klar. So wie in den achtziger Jahren noch alles klar getrennt wurde. Ost gegen West, Amiga gegen Atari, Tom gegen Jerry. Doch die Zeiten ändern sich. „Wieso trennen was zusammengehört?!“ fragten sich viele Menschen zu dieser Zeit. Auch am Mountainbike ging diese Bewegung nicht spurlos vorbei. Das gespaltene Lager der Crosscountryfahrer und Downhiller sollte um das Lager der Freerider erweitert werden, quasi als Schlichter der bestehenden Fronten, ein Bike für jedermann, leichtfüßig bergauf, schnell und sicher bergab. Ein schweres und nicht unproblematisches Unterfangen.

Nichts ist gegensätzlicher als die Grundgedanken der Downhill orientierten Fahrer gegenüber den der Crosscountryfahrer. Und nichts ist höher als die Erwartungen beider Fraktionen an einen Freerider. Das Red Bull Stiffee FR-400 vom Rose Versand bietet rein theoretisch die besten Voraussetzungen, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Mit einem Federweg von 80mm bis zu 130 mm am Heck und einer Marzocchi Drop Off Comp Federgabel mit 130mm Federweg, kombiniert mit einem Gewicht von etwa 15 Kilogramm, sollte der Weg zum ultimativen Freerider geebnet sein. Fahrwerkstechnisch kommt das FR-400 als Viergelenker daher. Das ganze Paket ist komplett zu einem Preis für unter 1400 Euro erhältlich. Zweifelsohne ein Seitenhieb gegen die Konkurrenz.

Das Gewicht des FR-400 ist für einen Freerider, aus der Sicht eines Downhillers relativ niedrig, aus der Sicht eines XC-Fahrers relativ hoch. Ohne Pedalen bringt das Stiffee etwa 15,2 Kilogramm auf die Waage und ist damit immer noch leicht genug für Uphills, ohne nach den ersten Metern berghoch das Bike an der nächsten Ecke gefrustet wieder verkaufen zu wollen. Doch nicht nur das Gewicht, sondern auch das Fahrwerk spielt eine enorme Rolle für ein gutes Klettern. Die Erwartungen an den Viergelenker sind daher besonders hoch. Das Stiffee FR-400 enttäuscht nicht, zumindest nicht, solange man auf dem Sattel sitzen bleibt. Dank des gut arbeitenden Hinterbaus und der präzise schaltenden Shimano Kombination aus XT und LX, schraubt sich das Stiffee unaufhaltsam die Berge hoch. Die Traktion des Hinterrades ist bergauf ein Genuß, sicherlich auch ein Verdienst der Michelin Hot S Reifen.

Das Vorderrad, welches beim Klettern eine leichte Neigung zum Steigen hat, läßt sich mit etwas Druck auf die Frontpartie des Bikes beschwichtigen. Beim Wiegetritt enttäuscht uns allerdings das leicht schwammige Fahrverhalten. Wer allerdings erst mal auf dem WTB Power DH Race Platz genommen hat, wird so schnell freiwillig nicht mehr aus dem an ein Sofa erinnernden Sattel steigen wollen. Der Schnellspanner der Sattelklemme als auch die voll versenkbare Sattelstütze läßt die Sitzposition in Sekundenschnelle an das jeweilige Terrain anpassen. Ein feiner, aber nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber so manch anderem Bike der Konkurrenz, wo sich die Sattelstütze konstruktionsbedingt nicht komplett versenken läßt. Für ein Optimum an Verzögerung sorgen die hydraulischen Magura Luise FR Bremsen. Vorne beißen sich die Bremsklötze in eine 210mm große Scheibe und am Heck in eine 190er Scheibe. Selbst ein Anker würde das Bike nicht so brutal verzögern wie diese Bremsen.

Als Felgen werden Xtreme Funride Disc FR verbaut, die uns keinerlei Grund zur Beanstandung gaben. Bei der Federgabel handelt es sich um eine Marzocchi Drop-Off Comp mit 130mm Federweg mit SSV. SSV bedeutet, daß es sich um ein System handelt mit geschwindigkeitsabhängigen Ventil mit 5 Ventilkreisen, welches die Dämpfung aufgrund von der Zug- und Druckstufengeschwindigkeit und der Gabelposition im Federweg kontrolliert. Hört sich kompliziert an, soll aber heißen, die Gabel funzt! Eine Einstellung der Zugstufe ist leider nicht möglich, lediglich die Luftvorspannung mittels Pumpe. Ein Lockout-Funktion sucht man bei der Marzocchi vergeblich. Auch beim für den Hinterbau verantwortlichen gut funktionierden Fox Vanilla R Dämpfer vermißt man eine Einstellmöglichkeit der Zugstufe.

Negativ fällt der hohe Aufbau des Bikes auf. Der Fahrer thront hoch oben auf dem FR-400, dadurch stellt sich ein leicht „stelziges“ Fahrgefühl ein. Das fällt besonders bei steilen Downhillpassagen ins Gewicht, wodurch sich etwas Unsicherheit beim Fahrer einstellt. Ein tieferer Schwerpunkt in Verbindung mit einem flacheren Lenkwinkel würde zwar die Fraktion der Downhill orientierten Biker beglücken, aber andererseits Zornesfalten auf die Stirn der XC-Fahrer zaubern. Das Stiffee ist in den Größen 17, 19 und 21 Zoll erhältlich. Gut beraten ist, wer dem Größenberechner vom Rose Versand Beachtung schenkt. Unser Tip wäre, von der Größe eher nach unten zu tendieren als nach oben.

Die Verarbeitung des Red Bull gibt keinen Grund zum Nörgeln. Die Lackierung verträgt einiges und die Kombination der am Viergelenker verbauten Lager von Industrie- und Gleitlagern funktioniert einwandfrei. Die Industrielager wiesen nach dem Test weder Spiel noch Gebrauchsspuren auf. Lediglich die zwischen Ausfallende und Kettenstrebe verbauten Gleitlager benötigten etwas Pflege. Klug ist, wer sich über die von Rose angebotenen Serviceleistungen informiert und diese nutzt. Darunter fällt vor allem der Pro Service. Kostenfreier Abholservice und Rücktransport inbegriffen.

Fazit:

Es ist wie in einer Ehe. Ein Zusammenfügen unterschiedlicher Charaktere setzt Kompromißbereitschaft voraus. Das FR-400 ist ein guter Allrounder mit dem Schwerpunkt Tour und Crosscountry, trotz des etwas höheren Gewichts. Das Stiffee bietet viel Bike für sein Geld. Durch den gut funktionierenden Hinterbau, Viergelenker sei Dank, läßt sich die Kraft gut auf den Untergrund übertragen. Das etwas „stelzige“ Fahrgefühl trübt leider den ansonsten guten Eindruck vom Stiffee FR-400.

Preis: 1390 Euro

Mehr Infos unter: www.roseversand.de