Dem Stress, der Langeweile, der Bürokratie entfliehen. Einfach mal weg. An diesen Punkt kommt irgendwann sicherlich mal jeder. Abhilfe schafft da nur ein Urlaub, am besten ein langer. Wem es aber nicht möglich ist für mehrere Wochen die Koffer zu packen, dem hilft sicher bei gutem Wetter spontan auch eine ein- oder mehrtägige Radtour auf dem idyllischen Lahntalradweg. Tristan Schäfer hat den vom ADFC mit vier Sternen zertifizierten Radweg in zwei Tagen in seiner Gänze „erfahren“ – für den gebürtigen Hessen eine ordentliche Portion „Heimatkunde mit (auf) dem Drahtesel“.

Rund 245 Kilometer ist er lang, der Lahntalradweg von der Quelle bis zur Mündung. Er führt durch drei Bundesländer. Nordrhein Westfalen, Hessen und Rheinland Pfalz entlang dreier Mittelgebirge. Rothaargebirge, Westerwald und Taunus. Manchmal würde es sich tatsächlich lohnen, gegen den Strom zu radeln. Etwa, wenn plötzlich zwischen Marburg, Wetzlar und Weilburg oder Vilmar und Runkel der Wind scharf von vorne bläst – als sei man an der Nordsee und nicht im Lahntal unterwegs. Oder man gerne noch einen oder zwei Tage dranhängen würde um zumindest von der Streckenführung der Radwegplaner abzuweichen um noch ein Paar der mehr als zahlreichen und vielfältigen Sehenswürdigkeiten abseits des Fernradweges wie zum Beispiel die Grube Fortuna, das Braunfelser Schloss oder die Kubacher Kristallhöhle anzuschauen.
Von der Marburger Altstadt, der barocken Residenzstadt Weilburg, dem Villmarer Lahnmarmor über den Limburger Dom bis zum Kaiserbad Ems – es gibt viele Perlen entlang der Lahn. Der Weg ist auf der 240 Kilometer langen Strecke in beide Richtungen befahrbar, ist einheitlich vorbildlich ausgeschildert, hat nur wenige Steigungen und führt überwiegend auf asphaltierten Wegen.

Auf der gesamten Strecke durchfährt man eine gewachsene historische Kulturregion. Und die hat etwas zu bieten: von einsamen Waldwegen und Fachwerkhäusern mit Schieferverkleidung im Rothaargebirge über lebendige Studentenstädte wie Marburg oder Giessen, der Optik und Goethestadt Wetzlar bis hin zur barocken Residenzstadt Weilburg. Dahinter beginnt einer der schönsten Abschnitte auf dem Lahntalradweg.
Man fährt wie durch eine grüne Schlucht, die sich einem im Limburger Raum kurz weitet um den Blick auf den Limburger Dom freizugeben, im nahen Diez erneut verengt und danach abermals konsequent direkt am Ufer entlang und zwar bis zur Mündung in den Rhein führt. Goethe ist hier als junger Mann regelmäßig durchgelaufen zu seiner ersten Liebe Charlotte Buff in Lahnstein. Die Liebe ist zwar nicht erwidert worden, aber Goethes Beschreibungen der Land- und Ortschaften sind geblieben. Wer kurz das Rad stehen lässt und über die Weinhänge wandert, hat einen wunderschönen Blick über die Lahnschleife, das Kloster Arnstein und die Fachwerkhäuser im Tal. Aktuell wurde der Lahnradweg vom ADFC mit 4 von maximal 5 Sternen zertifiziert.

Erste Etappe: Von der Lahnquelle nach Weilburg
Idyllisch beginnt der Lahnradweg im Rothaargebirge an der Lahnquelle am „Lahntopf“ auf einer Höhe von 620 Meter. Auf gut fahrbaren Naturwegen geht es flott bergab und man passiert die schöne Landschaft des Naturparks Rothaargebirge. Wieder im flachen Tal erreichet man zuerst Feudingen, dann Bad Laasphe. Von dort aus führt der Lahntalradweg auf asphaltierten Wirtschaftswegen durch das breitere Tal bis Biedenkopf. In den Orten und Städten herrschen die typischen mit Schiefer verkleideten Häuser und Fachwerkbauten vor. Der weitere Radweg folgt wunderschönen Lahnauen bis zur historischen Stadt Marburg. In der Universitätsstadt kann man das beeindruckende Schloss der Landgrafen, die Elisabethkirche und die historische Altstadt erkunden.
Hoch über Marburg thront die historische Burg der Landgrafen. Wer mag kann auch auf den Burgberg. Supersteil geht es auf kleinen gepflasterten Straßen bergauf. Aber es lohnt sich allemal, denn der Ausblick von oben auf die historische Stadt und das Lahntal ist traumhaft. Wieder zurück im Tal folgt man einem breiten Talgrund und radelt auf dem Lahntalradweg flussabwärts. Hier trifft man viele Radler, da die meisten ihre Radtour in Marburg starten. Durch das liebliche Lahntal erreicht man schließlich die Universitätsstadt Gießen. Seit der Bundesgartenschau sind die Radwege hier wunderbar ausgebaut. In „Gießen“ kann wer mag den Lahnradweg verlassen um das alte und neue Schloss anzuschauen. Die Stadt selbst ist sehr modern und geschäftig.

Weiter geht es an der Lahn entlang und man radelt durch Naturschutzgebiete bis nach Wetzlar. Hier erwartet einen die wunderschöne historische Altstadt mit der alten Lahnbrücke, dem Dom und vielen Fachwerkhäusern. Wetzlar ist wohl einer der wichtigsten traditionellen Optik-Standorte in Deutschland. Aus der hessischen Stadt kommt unter anderem der Traum eines jeden Fotografen: die Leica-Kamera. Die optische Geschichte Wetzlars kann wer mag im Viseum nachvollziehen. Man verlässt diese sehenswerte Stadt und radelt auf der rechten Seite des Flusses weiter. Nach guten zehn Kilometern zweigt nach rechts ein Radweg zum „Kloster Altenberg“ ab. Einige Höhenmeter geht es aufwärts, aber es lohnt sich das historische Kloster zu besichtigen.
Der Radweg überquert die Lahn und führt nach „Solms“. Auf einer Alternativstrecke kommt wer mag zum „Schloss Braunfels“, das ebenfalls äußerst sehenswürdig und den kleinen Umweg allemal wert ist. Vor der Ortschaft Löhnberg zweigen die romantischen Radwege ins Ulmtal und ins Kallenbachtal ab die beide hoch auf den Westerwald führen. Weiter geht es in das hübsche Städtchen Weilburg, auch die „Perle an der Lahn genannt“, mit seinem Dornröschenschloss. Die Stadt Weilburg war jahrhundertelang Residenz eines dem Hause Nassau entstammenden Adelsgeschlechts, aus dem das heutige großherzogliche Haus von Luxemburg hervorgeht. Die Regenten von Nassau-Weilburg errichteten dort das heute stadtbildprägende Schloss mit angegliederter Parkanlage.

Sehenswert ist auch der Weilburger Schifffahrtstunnel. Er ist der älteste und längste heute noch befahrbare Schiffstunnel in Deutschland. Er unterquert den Mühlberg auf einer Länge von 195 Metern. Für Interessierte lockt hier ein Abstecher in die nur wenige Kilometer entfernte Kubacher Kristallhöhle im nahen Ortsteil Kubach. Große Teile der Wände sind mit unzähligen Kalkspatkristallen und Perlsinter besetzt. Jener Kristallschmuck und die enorme Länge von etwa 170 Metern, Breite von bis zu 26 Metern und der Höhe bis zu 30 Meter machen die Schauhöhle zur größten natürlichen Kristallhöhle, die in Deutschland zu besichtigen ist. Nahe Weilburg ist auch der Ausgangspunkt des Weiltalradweges der entlang der Weil tief in den Taunus vordringt.
Zweite Etappe: Auf dem Lahntalradweg von Weilburg nach Koblenz
Wir folgen dem Lahntalradweg weiter über eine herrliche Naturetappe in den Lahnauen nach Villmar mit seiner Lahnmarmorbrücke, und dem Marmormuseum. Über besagte Marmorbrücke erreicht man das nur wenige Kilometer entfernte Städtchen „Runkel“ mit der dominanten Burgruine und der „Burg Schadeck“. Vorbei am Ausgangspunkt des Kerkerbachtalradweges folgt man einer langen naturbetonten Strecke und man erreicht nach weiteren Burgen und Kirchen die Stadt Limburg. Beeindruckend sind hier der farbige, prächtige Dom und die sehr gut erhaltene romantische Fachwerk-Altstadt. Von Limburg aus folgt man nun dem Radweg direkt an der Lahn.
Rasch erreicht man das Städtchen Diez mit dem alten Grafenschloss und der Stiftskirche. Auf dem Hügel liegt „Schloss Oranienstein“. Die Lahn fließt nun in engen Windungen entlang von Felswänden. Teils sind die Wege mit Holzgeländern zum Fluss hin gesichert. Wanderer und Radfahrer müssen sich die schönsten Abschnitte teilen. Man passiert das märchenhafte Balduinstein, das gleich mehrere Befestigungsanlagen hat. Nahe dem Ort Geilnau muss man nun entscheiden, wie man fahren will. Der Hauptweg verläuft von der Lahn weg steil über die Hügel nach Holzappel, ohne Aussicht auf das Lahntal. Danach geht es wieder steil bergab über Scheidt nach Laurenburg. Eine ebenfalls ausgeschilderte Alternative, jedoch wesentlich schönere Variante, führt auf einem naturbelassenen Weg entlang der Lahn durch ein Naturschutzgebiet. Dieser Weg ist schmal und man muss mit großer Vorsicht radeln oder gar schieben – aber dafür ist der Abschnitt wunderschön und äußerst empfehlenswert sowie kräfteschonend.

Von Laurenburg entlang der Lahn erreicht man nun den Ort Oberhof. Steil mit 16% geht es nun kurz und knackig hinauf zum „Kloster Arnstein“, dort ist ein Halt Pflicht. Die weithin sichtbare gotische Kirche stammt aus dem 13. Jahrhundert. Über sehr schöne Wege durch den schattigen Wald, gesäumt von Felswänden, erreicht man schließlich wieder das Lahntal und radelt an Nassau vorbei. In Dausenau kann man die frühere Stadtbefestigung und die Wehranlagen in Augenschein nehmen bevor man das sehenswerte Kaiserbad Bad Ems mit dem Staatsbad und seinen zahlreichen Quellen erreicht. Es soll als Welterbe geschützt werden.
Der Radweg folgt nun dem asphaltierten Treidelpfad und erreicht schließlich Lahnstein mit der „Burg Lahneck“. In Lahnstein biegt man nach rechts auf den Rheinradweg nach Koblenz ab. Nach einem kurzen Stück Rheinabwärts überquert man jenen über die Pfaffendorfer Brücke. Auch dieses letzte Stück über die Brücke ist perfekt ausgeschildert und es empfiehlt sich jener zu folgen. Hat man diese Brücke gequert sind es nur noch wenige hundert Meter entlang des Rheins bis zur Mündung der Mosel.

Der würdige Endpunkt der Tour ist am “Deutschen Eck“ erreicht. Das Deutsche Eck ist eine künstlich aufgeschüttete Landzunge in Koblenz an der Mündung der Mosel in den Rhein. Im Jahr 1897 wurde hier ein monumentales Reiterstandbild des ersten Deutschen Kaisers Wilhelm I. errichtet, das einst als Denkmal für die Deutsche Reichsgründung 1871 konzipiert war. Koblenz selber gilt mit seinen terrassenförmigen Weinbergen und Burgruinen wie unter anderem der Burg Ehrenbreitstein als Tor zum Oberen Mittelrheintal. Durch die schöne Altstadt erreicht man rasch den Bahnhof von welchem man bequem per Bahn zurück zum Ausgangspunkt der Tour gelangt.
Lahntalradweg Nachtrag:
Der Lahntalradweg ist normalerweise in vier anstelle der hier benötigten zwei (Tages-)Etappen eingeteilt, kann aber je nach Kondition, Anforderung sowie persönlichem Interesse individuell gestaltet und bewältigt werden. Der Einstieg ist überall möglich, ebenso die Fahrtrichtung. Er ist nahezu durchgängig mit einem gut befahrbaren Asphalt-Belag ausgestattet und von daher auch zum Rennradfahren bzw. Cyclocross geeignet. Die wenigen nicht asphaltierten Streckenabschnitte kann wer will auch auf wenig befahrenen Kreis-/Landstraßen überbrücken.
Um den Charakter wie auch die Vielfältigkeit der Sehenswürdigkeiten zu erhöhen, bieten sich fast überall entlang der Fahrradroute zusätzliche Seitenabstecher an. Zwischen den Bahnhöfen Feudingen und Lahnstein verkehren regelmäßig Zugverbindungen im gesamten Lahntal parallel zum Radweg. An Sonn- und Feiertagen in den Sommermonaten sind einige Streckenabschnitte des Radwegs hochfrequentiert, so dass für den sportlich ambitionierten Radler zügiges Vorankommen nur eingeschränkt möglich ist.
Text / Fotos: Tristan Schäfer
Webseite Lahntal Tourismus Verband e. V.: www.daslahntal.de
Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass das Befahren der Wege nach der Beschreibung in Eigenverantwortung geschieht!